{Advent} – Der Heilige Abend in unserer Gemeinde

Heute ist Biba von Bibas Würstelbude zu Gast. Biba erzählt uns, wie in ihrer Gemeinde seit einigen Jahren, Heilig Abend gefeiert wird.


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Der Heilige Abend in unserer Gemeinde

Das Telefon klingelt und als ich abnehme, höre ich eine ältere Frauenstimme. „Ich möchte mich gerne zum Heiligen Abend anmelden!“ sagt sie. Ich notiere mir Namen und Adresse und sage, dass ich mich schon freue und sie lacht ein bisschen und sagt: „Ich bin so froh, dass ich nicht alleine feiern muss!“

Gestern erwähnte unsere Küsterin Ute, dass sich bei ihr schon 30 Leute angemeldet haben und dass sie das ganze Jahr über genug kleine Geschenke gesammelt hat, so dass es für alle reicht. Unser Pfarrer fragte letzte Woche, ob er zum Heiligen Abend wieder eine Suppe kochen soll, was ich freudig bejahte. So ungefähr läuft es seit einigen Jahren kurz vor dem Heiligen Abend bei uns ab. Wir feiern nicht mehr alleine mit der Familie, sondern im großen Kreis in der Gemeinde mit allen, die nicht alleine feiern wollen. Und das werden jedes Jahr ein paar Leute mehr.

Meine Kinder (19/24/25) sind wechselnd begeistert davon. Ab und zu vermissen sie doch unseren Heiligen Abend zu Hause. Wie kam es dazu, dass ich anders feiern wollte?

Ich bin Einzelkind.
Am Heiligen Abend vermisste ich Geschwister ganz besonders. Denn das Gelingen des Abends hing einzig und allein von mir ab. Vier Erwachsene (Großeltern und Eltern) betrachteten erwartungsvoll das Kind. Freut es sich? Worüber freut es sich besonders? Was packt es zuerst aus? Ich verteilte meine Freude und mein Staunen stets zu gleichen Teilen. Versuchte es zumindest. Und freute mich, wenn endlich, endlich der erste Feiertag da war und ich Ruhe spielen konnte. Der Heilige Abend war Stress.kerzen_1100
Als ich selber Kinder hatte, wollte ich alles anders machen.
Schöner. Stiller. Friedlicher.
Meine Kinder behaupten, dass mir das gelungen ist, denn – wie gesagt – sie vermissen den Abend.
Aber wenn ich zurückdenke, blieb der Stress für mich fast gleich. Ich plante, kochte, dachte an alles und manchmal schien mir, als wäre ich der Regisseur und alle warteten darauf, dass ich den Einsatz gebe. Immer noch steckte ich in dieser Kindheitsphase, es allen recht machen zu wollen. Die Omas erzählten dann gerne von früher und dass da alles noch ganz anders war. Und ich hätte meinen Posten als Regisseur liebend gerne abgegeben.
In meinem Kopf spukte die Idee von einem anderen Heiligen Abend. Genährt wurde sie von kleinen Blitzlichtern aus den vergangenen Jahren.

*Im Krippenspiel am Heiligen Abend (ich bin zu dem Zeitpunkt Anfang 20) spielte ich einen Raben, der am Ende des Gottesdienstes noch in der Tür steht und jedem die Hand schüttelt. Und ich höre, dass manche Menschen gleich alleine sein werden……
Am liebsten möchte ich sie alle einpacken und mitnehmen. Aber wohin? Wie soll das gehen?
Und da verschwinden auch die letzten schon in der Dunkelheit, die Küsterin räumt die Gesangbücher auf, der Lektor zählt klimpernd die Kollekte und der Pfarrer pustet die Kerzen aus… Ich stehe immer noch an der Tür und habe keine Worte für das Gefühl, dass mich beschleicht.

plaetzchen_1100*Meine liebster Freund liegt am Heiligen Abend im Krankenhaus und ich komme abends noch einmal her, um ihn zu besuchen. Die Türen der Zimmer stehen auf, von irgendwoher erklingt leise Musik, es duftet nach Mandarinen und Zimt…. Wer das Bett verlassen darf, trifft sich mit anderen im Flur, man redet leise miteinander und die Nachtschwester bringt einen Plätzchenteller. Eine kleine verschworene, bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft feiert hier irgendwie zusammen. Sie haben keine andere Wahl. Und sie machen das beste daraus. Und als einer sagt: „Zu Hause wäre ich alleine gewesen!“ nicken zwei andere dazu. Es tut mir richtig leid, dass ich irgendwann gehen muss……

*In unserer Kirchengemeinde gibt es viele Angebote für jedes Lebensalter. Niemand muss alleine sein. Jeder kann sich das passende für sich herauspicken. Die Altentagesstätte hat an jedem Wochentag geöffnet und auch wer nicht im Seniorenalter ist, ist hier willkommen. Selbst an den Wochenenden gibt es, außer dem Gottesdienst, öfter Konzerte, Arbeitseinsätze oder Besinnungstage. Aber am Heiligen Abend gehen nach dem Gottesdienst die Lichter aus und das große Tor schließt sich quietschend.

Seit sechs Jahren ist das nun anders. Gemeinsam mit unserer Küsterin Ute machte ich einen Plan. Sie kann gut organisieren und dekorieren. Zwei Dinge, die ich gar nicht kann. Dafür kann ich für’s Programm (Geschichten, Lieder…) sorgen. Beim Essen überlegten wir uns, dass jeder etwas mitbringen könnte. Oder Geld spendet, und wir das Fehlende dazu kaufen.
So starteten wir vor sechs Jahren (Die Einladung stand im Gemeindebrief) und freuten uns über achtzehn Menschen, teils aus unserer Gemeinde, teils aus benachbarten Stadtvierteln, die mit uns den Abend verbrachten. Unser Pfarrer, der zu dem Zeitpunkt noch kleinere Kinder hatte, kochte eine wunderbare Suppe und wollte sich ansonsten nicht ganz so herz_1100festlegen, was die Anwesenheit seiner Familie betraf. (Mittlerweile ist die gesamte Familie immer dabei!)
Im Laufe des folgenden Jahres wurden wir immer mal wieder angesprochen:“Macht ihr das dieses Jahr wieder? Ich würde mich gerne schon anmelden!“
Wir machten es wieder. Und wieder. Und nochmal. Und…..
Der Gruppenraum wurde schon im zweiten Jahr zu klein. Wir zogen ins Foyer. Als das nicht mehr ausreichte, siedelten wir im Gemeindehaus in die erste Etage um. Unser Buffet wird jedes Jahr schöner und einfallsreicher. Wir haben immer jemanden dabei, der ein bisschen Musik macht. Ich habe Geschichten dabei und so manch anderer trägt auch gerne etwas vor. Küsterin Ute macht die Bescherung. Jeder darf sich etwas aus dem Korb angeln. Und weil man ja nicht weiß, wer sich nun worüber besonders freut, kann man nach der Bescherung auch tauschen. Es wird viel gelacht und nach dem offiziellen Teil darf man bleiben, solange man will. Und wer nach Hause möchte, der kann den Fahrdienst in Anspruch nehmen. Jedes Jahr finden sich einige, die jemanden durch die funkelnde Nacht nach Hause fahren.
Ehrlich, ohne Ute würde das ganze nicht klappen. Sie deckt die Tische, dekoriert, sammelt und packt die Geschenke, koordiniert das gesamte Buffet! Ich koche Suppe, übernehme Programm und oft auch Fahrdienst.
Es ist schön. Wunderschön.

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Meinen Kindern habe ich vorgeschlagen vor- oder nachzufeiern. Das ist nicht dasselbe, sagen sie. Im letzten Jahr sagte ich: „Ok, dann feiern wir zu Hause.“ Ute hatte angeboten, alles alleine zu machen, für’s Programm finden sich immer Leute und außerdem wäre es sowieso schon der reinste Selbstläufer. Aber die Kinder entschieden sich doch für’s Mitkommen, zumal die Oma (meine Mutter) sich in der großen Gruppe pudelwohl fühlt, gerne zum Programm beiträgt und nicht unbedingt erbaut davon war, wieder in der Familie zu feiern.

So werden wir auch dieses Jahr am Heiligen Abend im Gemeindehaus sein und mit vielen so ganz verschiedenen Menschen zusammen feiern, die eines gemeinsam haben: sie wollen an diesem Abend nicht alleine sein!

Eben kommt meine zweite Tochter zur Tür herein und ruft: „Ich habe eine Patientin aus unserer Praxis zum Heiligen Abend eingeladen, sie war heute so traurig, weil sie alleine sein wird und da habe ihr von uns erzählt… sie hat fast geweint vor Freude!“

Und das Telefon klingelt gerade….. Moment, oh, ich muss das Schreiben hier beenden, ein Herr ist dran und will sich anmelden…. „Ich freue mich auf Sie! Ja, bis zum Heiligen Abend! Tschüss!“

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© Text und Fotos: Biba, Bibas Würstelbude.

  1. Liebe Biba, ganz herzlichen Dank für diesen schönen Bericht.

    Vor vielen Jahren habe ich zusammen mit zwei Freundinnen auch so einen Heilig Abend in der Gemeinde gestaltet – auch für alle, die sonst alleine wären und das waren bei Weitem nicht nur Singles. Das war ein sehr schöner Abend und das würde ich gerne wieder einmal machen.
    Viele herzliche Grüße, Angelika

  2. Liebe BIba, das ist ein wunderbarer Bericht, danke. Und danke auch an dich, Angelika, die du so tolle unterschiedliche Beiträge hier veröffentlichst!

    Liebe Grüße von elsie

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