Sonntagskind sein

Ein echtes Sonntagskind bin ich nicht.
Zumindest nicht so wie die Leute es meinen.
Sonntags geboren? Nein.
Dienstags habe ich das Licht der Welt erblickt.
Und noch nicht einmal das. Kunstlicht war es.

Ein echtes Sonntagskind bin ich nicht.
Als Kind hatten die Sonntage etwas Ungemütliches.
Und Steifes.
Steife Kleider. Steife Kirche. Steife Gottesdienste.
Sonntage hatten einen seltsamen Geschmack.

Ein echtes Sonntagskind bin ich nicht.
Viele Jahre habe ich den Sonntag in den Alltag hineingezogen.
Oder eher den Alltag in den Sonntag.
Sonntag. Studientag. Wochenzubindtag.
Wochenaufräumtag.

Ein echtes Sonntagskind bin ich nicht.
Noch nicht. Aber ich bin dabei eins zu werden.
Samstags die Woche zubinden und den Sonntag einläuten.
Mit Samstagsritual und Samstagsgottesdienst.
Den Sonntag mit Gott genießen.

Sonntag.
Gottestag.
Gottes Tag.
Feiertag.
Ein Sonntagskind werden, das will ich.

Angelika Lindner, Juni 2014*
 
*inspiriert von „Ich bin ein Sonntagskind“ von Matthias Morgenroth in „sonntags – Buch zur Erfindung der Freiheit“ von Andere Zeiten.

 

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